John Boyne: Als die Welt zerbrach

Dies ist die Fortsetzung des Romans „Der Junge im gestreiften Pyjama“. Wäre ich nicht um eine Einschätzung (als Schullektüre) gebeten worden, hätte ich mir dieses Buch vielleicht nicht ausgesucht, denn schon der Vorgänger ist mir sehr „unter die Haut“ gegangen. Doch jetzt bin ich sehr dankbar über diese Bitte, denn es ist eine großartige, tiefgründig und sensibel erzählte Geschichte über die Frage nach Verantwortung und Schuld.
Aber nun zur Geschichte: Die 91 jährige verwitwete Gretel lebt in einer großen Wohnung in einem gehobenen Viertel Londons. Sie führt ein ruhiges, geordnetes und beschauliches Leben, bis zu dem Tag, als unter ihr neue Mieter einziehen. Eine Familie mit einem 9 jährigen stillen, höflichen, Bücher lesenden, aber auch sehr aufgeweckten kleinen Jungen namens Henry. Henry bringt Gretels Herz und Leben in Aufruhr, erinnert er sie doch schmerzlich an ihren kleinen Bruder der mit 9 Jahren sein Leben verlor.
In verschiedenen Rückblenden erfahren wir, was Gretel in ihrem Leben erlebt und getan hat. Als 12 jährige an der Seite ihrer Eltern an dem „anderen Ort“ und in ihrer ersten Verliebtheit. Als 14 jährige mit ihrer Mutter auf der Flucht aus Deutschland nach Frankreich, in einer kleinen dreckigen Wohnung lebend mit noch großem Glauben an die Zukunft. Nach einer traumatischen Erfahrung und dem Tod der Mutter, ihr Versuch eines Neubeginns in Australien als kleine Näherin mit einem zarten Zugeständnis an Freundschaft. Dann die desillusionierte Rückkehr nach England, wo sie zuerst ein zurückgezogenes und arbeitsreiches Leben führt. Es folgen großes Glück und Liebe, doch immer ist sie begleitet von der quälenden Frage ihrer (Mit-) Schuld. Schließlich enden wir in der Gegenwart, in der Gretel sich ihrer Schuld stellt und Verantwortung übernimmt. Verantwortung für den kleinen Henry, der sie so an ihren Bruder Bruno erinnert.
Dies ist ein Roman über eine Zeit dunkler deutscher Geschichte, der sich liest wie ein Krimi und uns Leser atemlos zurücklässt. Sie müssen den Vorgänger nicht zwingend gelesen haben, im Laufe des Buches erschließt sich auch diese Geschichte.
Ich gebe eine absolute Leseempfehlung!